Noch bis zum 16. Mai ist die virtuelle Pilger-Ausstellung „Wege in den Himmel“ des Stader Schwedenspeicher-Museum zu erkunden.
Ingeborg Helms (83) aus Stade ist seit vielen Jahren selbst als Pilgerin unterwegs und beschreibt dies als ihren Lebensinhalt. Wenn sie anfängt von ihrer Leidenschaft zu sprechen, wird der Zuhörer in eine andere Welt entführt. 2003 entdeckte die Rentnerin das Pilgern für sich, oder in ihren Worten: „Das Pilgern hat mich gefunden.“
Als Architektin interessierte sie sich zunächst besonders für die romanische Architektur. Auf ihren Reisen skizzierte sie oft die Kapellen vor Ort. Aber das allein reichte ihr nicht aus. Für sie stand schon früher fest, dass sie etwas Größeres machen möchte. Auf einer Lesung fiel ihr dann das Buch „Mit dem Esel auf dem Himmelspfad“ von Carmen Rohrbach im Regal auf. Das war für die Architektin der erste Schritt in Richtung Pilgerleidenschaft.
Ihren ersten Jakobsweg, mit dem Ziel Santiago de Compostela, lief sie zunächst einmal wegen ihres Interesses an der Architektur. Mit der Zeit wendete sich das Blatt und sie ließ ihren Job auch mal des Pilgerns wegen schleifen.
Aber warum gehen die Menschen überhaupt pilgern? Was ist das Besondere am berühmten „Jakobsweg“, gekennzeichnet durch die gelbe Muschel auf blauem Hintergrund? Die Beantwortung dieser Frage fällt Ingeborg Helms schwer. „Es gibt das sogenannte Pilgererlebnis, das aber keiner nachvollziehen kann, der nicht selbst einmal gepilgert ist“, erklärt die 83-Jährige. Dieses Erlebnis sei von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Sie selbst beschreibt es so: „Die Füße laufen von alleine weiter und der Kopf schaltet sich komplett ab, man ist gedankenleer.“ Um das zu erreichen, empfiehlt sie, alleine zu pilgern. Aber auch sie war auf ihren Reisen schon in Begleitung.
Wichtig sei vor allem die Vorbereitung, betont Helms. Nach den ersten Überlegungen – „Will ich das?“ und „Kann ich das überhaupt?“ – geht es ans Training. Lange Spaziergänge erst ohne und dann mit Gepäck sind dabei unvermeidbar. Und dann geht es an das Packen des Rucksacks. „Das ist am Anfang sehr schwer, heute mache ich das in fünf Minuten“, erklärt die Rentnerin. Wichtig ist dabei zu wissen, was wirklich benötigt wird. Wenig Gewicht ist das höchste Gebot beim Packen. Sie selbst zum Beispiel entfernt den Stiel der Zahnbürste, um – wenn auch nur wenige Gramm – Gewicht zu sparen. „Jedes Gramm zählt.“
Als stellvertretende Vorsitzende der Region Norddeutschland der Deutschen St.-Jakobus-Gesellschaft mit Sitz in Aachen ist die 83-Jährige als Wegekoordinatorin für drei Wege im Norden zuständig. Dazu gehört auch die Via Baltica durch Stade. Zu den Aufgaben gehört vor allem die Instandhaltung der Routen. Dafür läuft die Seniorin ihre Wege ein- bis zweimal im Jahr ab. Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit ist die Beschilderung. Das stellt vor allem in der Stadt Stade eine Hürde dar. Für Reinigungsarbeiten werden die Schilder oft entfernt. Für die Pilger ein großes Problem, denn wenn ein Schild fehlt, können sie sich schnell verlaufen. Kein Schild bedeute nämlich: Es geht weiter geradeaus.
Ihre letzte Pilgerreise unternahm Helms im Jahr 2018 auf ihrem Weg nach Rom. Im vergangenen Jahr stand noch der Jakobsweg in Irland auf dem Plan, aber da machte ihr Corona einen Strich durch die Rechnung. Während sich im Jahr 2019 insgesamt 347.578 Pilger auf den Weg nach Santiago de Compostela in Spanien machten (darunter 26.167 Deutsche), waren es im vergangenen Jahr Corona-bedingt nur noch 53.794 Pilger (2.519 Deutsche).
Der Jakobsweg durch Stade
Die Stader Geest (Stade-Harsefeld-Zeven) ist der erste Abschnitt der Route Via Romea, einer der Wege nach Rom. Im ehemaligen Benediktinerkloster in Stade verfasste der Abt des Klosters die sogenannten Annales, die auch die besten Wegstrecken einer (Pilger-)Reise nach Rom beinhalten. Der Abt beschreibt seine eigene Reise nach Rom mit allen Rastplätzen und den genauen Entfernungsangaben der jeweiligen Teilstrecken.
Quelle: Ein Artikel von Maria Weigl | erschienen im Kreiszeitung Wochenblatt Stade am 29. Januar 2021